Eine der häufigsten Fragen in unseren Laufkursen lautet „Wie und wann soll ich dehnen?“ Das allseits bekannte statische Dehnen, was jahrelang ausschließlich praktiziert wurde, hat immer noch seinen Platz in der Trainingspraxis. Jedoch kann man noch effektiver und zielgenauer mit weiteren Mobilisierungs- und Dehntechniken den Aufbau der Laufform unterstützen.
Je nach individueller Zielsetzung sollte man unterschiedliche Dehntechniken anwenden.
Unterstützung der Regeneration und Entspannung der Muskulatur
Hier bietet sich das statische Stretching an, bei dem ein Muskel passiv (ohne Aktivität des Gegenspielers) in seiner maximalen Länge gehalten wird. Die Dehndauer sollte mindestens 30sec betragen, um eine Detonisierung des Muskels zu erreichen. Je länger, desto größer der Entspannungseffekt. Im Yin Yoga wird in Dehnpositionen sogar mehrere Minuten verweilt, was eine enorme entspannende Wirkung hat. Wichtig dabei ist, keine Schmerzen zu erzeugen, sondern nur bis zu einem angenehmen Dehngefühl zu gehen.
Das Dehnen kann unmittelbar nach dem Cool-Down der Laufeinheit erfolgen oder noch besser 1-2 Stunden danach.
Muskelkater und hartes Training / Wettkämpfe
Kontraindiziert ist das statische Dehnen bei Muskelkater, da das Muskelgewebe mit seinen Mikroverletzungen durch den starken Zug zusätzlich gereizt wird. Auch nach harten Einheiten oder Wettkämpfen sollte ein statisches Dehnen nur behutsam und mit guter Körperkenntnis durchgeführt werden. Zur Regeneration sind hier durchblutungsfördernde Maßnahmen besser geeignet.
Verbesserung der Bewegungsökonomie durch eine größere Bewegungsamplitude
Um die Bewegungsamplitude eines Gelenks zu vergrößern, bedarf es nicht nur ein Dehnen des Muskels, sondern auch einer Mobilisierung der Gelenkkapsel und des Fasziengewebes. Hierfür sind dynamische Dehnungen ideal, die mehrdimensional und durch Einbeziehung der Gegenspieler mit wippenden oder langsamen Bewegungen ausgeführt werden.
Gerade vor schnellen Laufeinheiten oder Wettkämpfen, bei denen man eine maximale Schrittlänge und Hüftstreckung benötigt, bieten sich dynamische Mobilisationsübungen, v.a. der Hüfte, Lendenwirbelsäule und Sprunggelenk idealerweise an. Nach einem lockeren Einlaufen und diversen Lauf-ABC Übungen sollen dynamische Dehnübungen die allgemeine Aufwärmroutine ergänzen.
Vor allem ältere Läufer profitieren enorm von dieser Dehntechnik, da die Faszien und auch die Gelenkkapseln mit dem Älterwerden an Elastizität verlieren. Jeder Zentimeter Schrittlänge, die man durch eine eingeschränkte Hüftstreckung verliert, vermindert die Laufökonomie.
Möchte man beim Aufwärmen zusätzlich statisch dehnen, sollten die Positionen nur maximal 7-8sec gehalten werden, um den Muskeltonus nicht wieder zu reduzieren.
Starke Verspannungen lösen und muskulären Dysbalancen beheben
Möchte man gezielt muskuläre Dysbalancen beheben, die durch chronisch verspannte und abgeschwächte Muskulatur entsteht, empfiehlt es sich, zu einem Physiotherapeuten zu gehen. Dieser erkennt die individuelle Problematik und stellt ein persönliches Übungsprogramm zusammen. Hier können noch weitere Techniken wie das CHRS zur Anwendung kommen: Contract (Anspannen) + Hold (Halten) + Relax (Loslassen) + Stretch (Dehnen). Diese Dehntechnik reguliert und entspannt den Muskeltonus sehr effektiv.
Um die muskulären Dysbalancen wieder auszugleichen, sollte das Dehnen mit einem passenden Muskelaufbau ergänzt werden.
Unser Tipp
Das Lauftraining trainiert das Herz-Kreislauf-System, quasi den „Motor des Fahrzeugs“. Um auch den Bewegungsapparat bzw. die Karosserie nicht zu vernachlässigen, gehören regelmäßige Dehn- und Mobilisierungsübungen und auch Kraftübungen zu einem umfassenden Training.
Nicht, dass ein Porsche – Motor mit einer „Kleinwagen- Karosserie“ unterwegs ist.
Claudia Gralki, ausgebildete Physiotherapeutin und Triathlon Trainerin B Lizenz